Man muss nicht gleich Vegetarier oder gar Veganer werden, wenn man mal den Fleischkonsum reflektiert.
„Ich lasse mir mein tägliches Stück Fleisch nicht nehmen.“ Wütend schaute er mich an, als hätte ich mich persönlich an seinen Mittagstisch gesetzt, um ihm das Schnitzel zu stibitzen.
Während meiner Vorträge höre ich öfter solche Einwände – und noch häufiger sehe ich sie förmlich in den Köpfen der stummen Zuhörer aufkommen. Und auch ich bin nicht frei davon. Ich gebe es hier offen und ehrlich zu: Ich esse Fleisch, mehr noch – ich mag Fleisch. Und dies soll auch kein Artikel werden, der irgendjemanden davon überzeugen will, kein Fleisch mehr zu verzehren. Keine Angst. Fleisch gehört zu unserer Gesellschaft dazu. Es symbolisiert Tradition, Lebensqualität und Genuss.
Und: Fleisch liefert wertvolle Nährstoffe wie Eiweiß, Eisen und Vitamin B12 – letzteres ist essenziell für die Bildung roter Blutkörperchen und ein gesundes Nervensystem.
Dennoch ist es nicht dumm, hier Zurückhaltung zu üben: Ein Zuviel an Fleisch führt eben auch zu negativen Konsequenzen. Gerade in verarbeiteter Form – etwa als Wurst, Schinken oder Pökelfleisch – stufen Institutionen wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Fleisch schon seit Jahren als „sicher krebserregend“ ein. Rotes Fleisch wird als „wahrscheinlich krebserregend“ bewertet. Das bedeutet jedoch nicht: nie wieder Salami! Vielmehr geht es um die Menge. Bei zwei Scheiben pro Tag steigt das Risiko für Darmkrebs bereits leicht an. Bei fünf Scheiben pro Tag – in etwa 50 g – liegt das Risiko laut WHO etwa 18 % höher als bei einer Vergleichsgruppe. Weniger Wurst bedeutet also mehr Gesundheit. Und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen – durch tierische Fette – ist da noch nicht einmal mit eingerechnet.
Genauso klar ist uns allen: Unser Fleischkonsum hinterlässt Spuren auf dem Planeten. Besonders die Haltung von Wiederkäuern wie Rindern setzt große Mengen Methan frei – ein Treibhausgas, das etwa 28-mal klimaschädlicher ist als CO₂. Die Landwirtschaft ist für rund ein Drittel der menschengemachten Methanemissionen verantwortlich, vor allem durch Tierhaltung. Auch Lachgas aus Gülle und Stickstoffdüngern trägt kräftig zum Klimawandel bei – ganz zu schweigen vom Wasserverbrauch: Für ein Kilo Rindfleisch braucht es im Schnitt bis zu 20.000 Liter Wasser – das entspricht dem kompletten Wasserverbrauch eines Menschen für vier Monate – inklusive Trinken, Duschen und Kochen.
Und – ich weiß, ich mache mich unbeliebt – aber lassen Sie uns noch kurz ein Wort über die sogenannten Nutztiere verlieren. Besonders problematisch ist die Haltung von Puten – oft dicht gedrängt, ohne Auslauf, mit gekürzten Schnäbeln, damit sie sich vor lauter Stress nicht gegenseitig verletzen. Auch Schweine leben in konventioneller Haltung oft auf engem Raum, weshalb dort häufig Antibiotika präventiv eingesetzt werden. Das ist nicht nur fürs Tier unangenehm – es kann beim Menschen zu Antibiotikaresistenzen führen, ein wachsendes Problem im Gesundheitswesen. Besonders für ältere Menschen und all jene mit geschwächtem Immunsystem ist dies brandgefährlich – insbesondere, wenn hier Reserveantibiotika eingesetzt werden, die eigentlich nur in schweren Fällen beim Menschen Verwendung finden sollten.
All das klingt nicht gerade appetitlich, das ist mir bewusst. Aber es ist wichtig, sich dessen immer mal wieder bewusst zu werden – nicht, um ab sofort Vegetarier oder Veganer zu werden, sondern um einen Schritt zurückzutreten, den eigenen Konsum zu reflektieren und sich vielleicht doch noch einmal an den guten alten Sonntagsbraten zu erinnern. Früher war Fleisch etwas Besonderes, ein Festessen. Heute ist es oft bloß Routine. Dabei hätte eine Rückkehr zu „weniger, aber besser“ gleich mehrere Vorteile: Weniger Fleisch bedeutet weniger Belastung für Umwelt und Gesundheit – und auch der finanzielle Mehraufwand für Produkte aus artgerechter Haltung – am besten bio, regional und fair produziert – hält sich so in Grenzen.
Das Fazit: Wir streben hier nicht nach Perfektion. Jeder Schritt zählt. Weniger Fleisch – dafür bewusst, hochwertig und voller Wertschätzung – ist ein einfacher, wirkungsvoller Beitrag für eine gesündere Zukunft. Für uns. Für die Tiere. Und für unseren Planeten.
Orginaltext von overton-magazin.de vom 02. Mai 2025
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