Mensch isst Fleisch. Die Deutschen essen Schweinefleisch. Ganze 29 Kilo Schweinefleisch essen wir hierzulande durchschnittlich pro Jahr und Kopf. Das sind mehr als Rindfleisch (8,7kg) und Geflügelfleisch (12,7kg) zusammen (1). Gleichzeitig ist das Schweinefleisch als ungesund verschrien. Was bedeutet der Verzehr von Schweinefleisch für uns, die Tiere und unsere Umwelt? Diese Fragen wollen wir im Folgenden klären.
International Agency for Research on Cancer
ErnährungswissenschaftelerInnen sind sich inzwischen einig, dass Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs mit einem übermäßigen Fleischkonsum in Zusammenhang stehen können. Welche Inhaltsstoffe jedoch genau dafür verantwortlich sind, ist bis dato noch nicht geklärt. Besonders rotes Fleisch scheint das Risiko dieser Erkrankungen zu erhöhen. Aus diesem Grund besagt eine Theorie, dass der Proteinkomplex Hämoglobin hierfür maßgeblich verantwortlich sei. Der Blutfarbstoff sorgt unter anderem dafür, dass sich das Fleisch rot färbt (2). Dies erklärt jedoch nicht, warum insbesondere das Schweinefleisch einen derart schlechten Ruf hat, denn beispielsweise Rindfleisch besitzt einen deutlich höheren Hämoglobin-Gehalt. Weiter wird Schweinefleisch häufiger für verarbeitete Produkte wie Bratwurst oder Kassler verwendet. Hier sind sich die Experten einig: „Verarbeitetes Fleisch [wie Wurstwaren, gepökeltem Fleisch oder Fleisch welches durch Salzen, Räuchern oder Pökeln haltbar gemacht wurde,] wurde als krebserregend für den Menschen eingestuft“ so die IARC[1] (3). Sie haben in einer gesunden Ernährung also nur selten etwas zu suchen.
[1] International Agency for Research on Cancer
Darüber hinaus besitzt Schweinefleisch neben gesunden Inhaltstoffen wie Zink, Kalium oder Vitamin B1 (Thiamin) auch vergleichsweise viel Fett. Besonders das Bauch-Stück sticht hier mit 21,1g pro 100g heraus. Während sich andere Teile des Tiers, etwa das Filet mit 2g als ziemlich fettarm herausstellen. Bei den fettigen Anteilen von Schweinefleisch ist insbesondere das Cholesterin zu beachten, welches gerade in der Bauchgegend mit 80mg pro 100g ausmacht (4).
Ein Grund, warum Schweinefleisch als ungesund klassifiziert wurde ist der besonders schnelle Verderb des Fleisches, was vor allem in Zeiten ohne Kühlschrank große Relevanz besaß. So befinden sich auch unter hygienisch einwandfreien Verhältnissen nach dem Schlachten auf der Oberfläche von Schweinefleisch etwa 10.000 Keime pro cm2 (im Vergleich: auf frischem Rindfleisch findet man lediglich 1.000 Keime pro cm2) (5).
Zudem ist Schweinefleisch dafür bekannt, oft mit dem gefährlichen Wurm Trichinella befallen zu sein. Die Larven des Wurmes können vom Schweinedarm ins Fleisch wandern und so beim Menschen eine Trichinose auslösen. Diese kann in Ausnahmefällen sogar zum Tod des Betroffenen führen. Heutzutage ist die Trichinose dank flächendeckender Untersuchungen jedoch kein großes Problem mehr – zumal, wenn das Fleisch gut durchgegart wurde. Wer auf Nummer sicher gehen will, dem sein angeraten, bei Schweinefleisch darauf zu achten, dass die Kerntemperatur beim Braten mindestens 65°C erreicht (6).
Soweit die allgemeinen Fakten zum Schweinefleisch in unserer Ernährung. Schweinefleisch ist jedoch nicht gleich Schweinefleisch. So gravierend die Unterschiede in der Haltungsform, der Fütterung und dem Einsatz von Medikamenten wie Antibiotika oder Zusatzstoffen wie Hormonen, so erheblich sind auch die Unterschiede in der Fleischqualität.
Gehen wir die Punkte mal durch:
Die Gesundheit der „Nutztiere“ ist essentiell für die Fleischqualität und somit auch den Ertrag der Landwirte – sollte man meinen. Dennoch füllen in regelmäßigen Abständen neue Skandale die Tageszeitungen unseres Landes. Einen kleinen Einblick auf die teils verheerenden Zustände in der Fleischindustrie erhaschte die Öffentlichkeit als 2020 in dem Mega-Schlachtbetrieb von Tönnies in Rheda-Wiedenbrück Covid-19 ausbrach, in dem pro Tag 30.000 Schweine geschlachtet wurden. Der eiligst von der Agrarministerin ins Leben gerufene „Fleisch-Gipfel“ konnte die Bedingungen der Arbeitnehmer in diesen Betrieben zwar etwas verbessern, ein weitergehendes Umdenken in der Fleischindustrie blieb jedoch aus. Dies scheint leider gängige Praxis zu sein bei all den vielen Skandalen, der letzten Jahrzehnte im Zusammenhang mit der Fleischindustrie aufkamen (7). In der Zwischenzeit werden viele „Nutztiere“ weiterhin Tiere eng an eng, mit viel zu wenig Bewegungsfreiheit gehalten – teilweise ohne (Tages-)Licht und auf Spaltböden, die zusätzlich eine hohe Verletzungsgefahr mit sich bringen.
Damit sich in dieser Enge keine Krankheiten ausbreiten können, wird oftmals prophylaktisch Antibiotika verabreicht, was wiederum zu der Entwicklung von resistenten Keimen beitragen kann, (8). Ist das wirklich mit einer gesunden Ernährung und einem verantwortungsvollen Umgang mit unseren „Nutztieren“ vereinbar?
In Dänemark wurde beispielsweise eine Pflicht eingeführt, nach der ab einer gewissen Betriebsgröße bis zu 12 Beratungsbesuche vom Tierarzt pro Jahr stattfinden müssen. Sollte der Arzt bei seinen Besuchen Verstöße im Bereich Tierwohl, Tiergesundheit oder Arzneimittelverbrauch feststellen, wird die Besuchsfrequenz sogar noch erhöht. (Zum Vergleich: in Deutschland haben wir lediglich zwei tierärztliche Kontrollbesuche pro Jahr) Der Gesundheitsstatus der Tiere wird in einer öffentlich zugänglichen Datenbank erfasst. Zudem wird streng getrennt zwischen der Beratung durch den Tierarzt und dem Verkauf von Medikamenten durch die Apotheke. Das Ergebnis: unter anderem konnte Dänemark seinen Antibiotika-Verbrauch in der Schweinemast auf 33,4 mg Antibiotika pro kg Biomasse senken (Hierzulande kommen wir auf 73,2 mg Antibiotika pro kg Biomasse) (9).
Die anhaltende moralische Empörung gegenüber dem Umgang mit Tieren und die breite Ablehnung der intensiven Tierhaltung bringt aber auch in Deutschland immer mehr Beispiele hervor, wie echtes Tierwohl mit wirtschaftlicher Effizienz einhergehen kann. „Die Nachfrage nach Bio-Schweinen ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, während der Markt für konventionelle Schweine seit längerem in einer tiefen Krise steckt“. So das Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (10). Leider fehlen in vielen Bundesländern jedoch immer noch ausreichend Schlacht- und Vermarktungsmöglichkeiten und hemmen so den an sich positiven Trend. Auch das Angebot an Bio-Ferkel ist in Deutschland derzeit sehr gering, weshalb viele Landwirte Ferkel aus Dänemark und den Niederlanden einkaufen. Mit Regionalität hat dies leider wenig zu tun (10).
Im Ökolandbau macht sich ein deutlich erhöhtes Platzangebot, längere Säuge-Dauer der Ferkel und Wühlmaterial für die Schweine insofern bezahlt, als dass Probleme wie Kannibalismus oder Schwanzbeißen verringert werden. Ein Ziel der verbesserten Bedingungen ist es auf das schmerzhafte Kupieren der Schwänze verzichten zu können (11). Da Bio-Futtermittel aufgrund der derzeitigen politischen Lage immer teurer werden, schwenken viele Landwirte um und bauen ihr Eiweißfuttermittel selbst an. So umgeht man nicht nur die hohen Frachtkosten, da das Futtermittel häufig aus dem Ausland importiert wird, sondern verbessert auch noch den CO2-Fußabdruck der Fleischproduktion.
Auch wenn es in Deutschland langsam in Richtung Tierwohl geht können wir in diesem Punkt noch viel von unseren europäischen Nachbarn lernen. Vielleicht ist es eine Motivation, dass ein höheres Tierwohl nicht nur den Tieren und unserer Umwelt zugutekommt. Auch uns selbst können wir mit dem Fleisch von artgerechten etwas Gutes tun. Laut wissenschaftlichen Untersuchungen besitzt das Fleisch aus biologischer Aufzucht ein deutlich günstigeres Fettprofil als solche aus konventioneller Aufzucht. Es besitzt mehr des guten Omega-3-Fetten und ein besseres Verhältnis von Omega-3- zu Omega-6-Fettsäuren (12). Dies kann unter anderem entzündungshemmend auf den Organismus wirken. Allerdings und dies gilt nicht nur für das Schweinfleisch, lässt sich eine artgerechte Tierhaltung nur realisieren, wenn wir als Verbraucher weniger Fleisch essen. Der Grund ist ganz einfach, die landwirtschaftlichen Nutzflächen und die Wasser-Ressourcen sind begrenzt. Das bedeutet aber auch, dass die Politik die Landwirte noch mehr als bisher in der Umsetzung einer artgerechten Tierhaltung unterstützt.
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